RESOLUTION DER BÜRGER/INNEN INSPEKTION TEMELIN
25. September 2011/ 22. September 2012 / 14. September 2013 / 27. September 2014/ 19. September 2015/ 24. September 2016
Seit dem 25. September 2011 besuchten Bürgerinnen und Bürger aus der Tschechischen Republik, aus Deutschland, Österreich, Großbritannien, Slowenien, der Slowakei, Polen und Finnland das tschechische Atomkraftwerk Temelín – Menschen mit den verschiedensten politischen, religiösen, kulturellen und beruflichen Kontexten.
Uns verbindet die Sorge um den Planeten, auf dem wir leben – um die Welt, die wir unseren Kindern und Enkeln übergeben wollen. Auch beschäftigt uns die Frage, wie wir als Bürgerinnen und Bürger Europas zusammenleben wollen.
Wir kamen zu folgenden Schlussfolgerungen:
Temelín ist für uns ein Ausdruck der Gewalt gegen die oben genannten verbindenden Werte:
Temelín ist eine Gefahr für die Umwelt und die Menschen in Europa – wegen der Auswirkungen des Uranbergbaus, wegen des Risikos eines großen Unfalls und wegen der unlösbaren Frage, wie der Atommüll, den das AKW erzeugt, entsorgt werden kann.
Temelín schadet der Zukunft unserer Kinder und der folgenden Generationen, weil es uns an die Nutzung schmutziger und riskanter Energieträger bindet, die Entwicklung sauberer und erneuerbarer Lösungen für den Klimawandel verhindert und den folgenden Generationen die Verantwortung für den Abbau seiner gefährlichen radioaktiven Anlagen und die Lagerung des zehn- bis hunderttausende Jahre strahlenden Atommülls aufbürdet.
Temelín untergräbt Frieden und Demokratie, weil es die Unterdrückung der öffentlichen Debatte fördert, um die Interessen einer kleinen Atomlobby zu schützen.
Unregelmäßigkeiten und Verhalten von CEZ
Während wir in den vergangenen Jahren im AKW willkommen waren, lehnte es der Energieversorger CEZ diesmal am 25. September 2016 ab, mit den TeilnehmerInnen der Konferenz zu sprechen. Vier von sechs tschechischen Reaktoren standen still wegen technischer Probleme. Es gibt Betrug an den Schweißnähten im Sekundärkreislauf in allen sechs tschechischen Reaktoren. Und Probleme an der Turbine in Temelin 2.
Unsere Vertreter konnten 2015 relevante Schweißnähte im Primärkühlwassersystem in Reaktor 2 besichtigen. Sie durften aber nicht den von der fehlerhaften Schweißnaht 1-4-5 (Akte 15/2001/SUJB) betroffenen Reaktor 1 in Augenschein nehmen. Unsere VertreterInnen nahmen im vergangenen Oktober an einem Fachgespräch der tschechischen und deutschen Atomaufsichten bezüglich dieser Angelegenheit in Prag teil. Einer unserer Materialexperten hat eine irritierende Tatsache zur Schweißnaht aufgedeckt. Wir fordern: Die Aktenlage muss untersucht werden. Bis die Sicherheit des Reaktor 1 geklärt ist, muss er abgeschaltet werden.
Deshalb rufen wir auf:
1. Uns selbst...
1.1 ... aktiv gegen Pläne zu stellen, weitere Atomkraftwerke zu bauen, hier und anderswo, weil Temelín uns deutlich gezeigt hat, dass Atomkraft gefährlich und teuer ist und Menschen spaltet, statt zu verbinden. Wir werden dies mit Argumenten tun, das Schweigen mit gewaltlosen und kreativen Aktionen brechen – und mit der Teilnahme an einer ehrlichen und offenen Debatte.
1.2 ... aktiv an einer fairen und auf Fakten basierenden Diskussion über die zukünftige Energieversorgung Europas zu beteiligen, unser Know-how und unsere Kontakte zu teilen, die Fortschritte bei der Entwicklung von sauberen und erneuerbaren Energiequellen hervorzuheben und zu verhindern, dass die dunkle Seite der schmutzigen und riskanten Energieträger Kohle, Öl und Kernenergie unter den Teppich gekehrt wird.
1.3 ... aktiv die bereits existierenden Möglichkeiten der Energieeinsparung zu nutzen, in unserem Heim und in unserem beruflichen Umfeld erneuerbare Energiequellen zu nutzen und, wo immer möglich, die Menschen um uns herum zu motivieren, die Resignation und die Schüchternheit oder die Angst zu durchbrechen und sich zu äußern. Wir müssen den politisch und wirtschaftlich Verantwortlichen zeigen, dass eine Welt gegründet auf einer durch Atomkraft dominierten Energieversorgung weder notwendig noch sinnvoll ist.
2. Wir fordern: Die deutsche Regierung und die deutschen Behörden sollen...
2.1 ... sich aktiv an der energiepolitischen Debatte in ganz Europa beteiligen. Ein deutscher Atomausstieg wird uns nicht vor Schäden schützen, wenn unsere Nachbarn riskante Atomprojekte weiter betreiben oder sogar ausbauen;
2.2 ... sicherzustellen, dass Bürgerinnen und Bürger in Deutschland alle ihnen durch internationales Recht garantierten Möglichkeiten bekommen, an Entscheidungsprozessen zur Energiepolitik in Nachbarstaaten teilzunehmen; inklusive mindestens drei Monaten öffentlicher Auslegungsfristen bei grenzüberschreitenden Konsultationen bezüglich Energiestrategien und bei neuen Energieprojekten in den Nachbarstaaten;
2.3 ... volle Haftungsabdeckung fordern im Fall von Atomunfällen, egal wo ein AKW steht.
2.4 ... in einem Radius von mindestens 200 km für einen adäquaten, grenzübergreifenden, europäischen Katastrophenschutz sorgen sowie für eine Vernetzung der Regionen mit grenznahen AKW.
2.5...für eine dezentrale Energiewende sorgen und danach den Bedarf an grenzüberschreitenden Stromleitungen in Europa ausrichten; die Politik muss sich dafür einsetzen, dass Deutschlands Stromversorgung in Zukunft nicht teilweise durch neue Atomkraftwerke im Ausland gedeckt wird, indem sie klar Stellung gegen die AKW-Ausbaupläne der EU-Kommission sowie von europäischen Staaten bezieht.
2.A. Die österreichische Regierung und österreichischen Behörden…
…sind von den österreichischen TeilnehmerInnen ebenfalls aufgefordert, im Sinne von Punkt 2 entsprechende rechtliche und diplomatische Schritte zu unternehmen.
3. Die tschechische Regierung, tschechische Behörden und CEZ sollen...
3.1 ... die Entwicklung neuer Atomkraftprojekte stoppen – seien es Temelín 3,4 oder Dukovany 5,6, das tschechische Energieprogramm oder die tschechische Lobbyarbeit für pronukleare Finanzierungen auf EU-Ebene. Die Verantwortlichen sollen Pläne für den Ausstieg aus bestehenden Atomkraftwerken entwickeln und den alten Reaktoren von Dukovany keine Laufzeitverlängerung zugeben. Stattdessen müssen Alternativen entwickelt werden, basierend auf Energieeffizienz und erneuerbaren Energiequellen – sauberen Alternativen, die folgende Generationen nicht mit hohen Risiken belasten. Zudem müssen die Haftungssummen bei Unfällen an die realen möglichen Schadenssummen angepasst werden. Realistische Rücklagen für die Endlagerung der radioaktiven Abfälle inklusive der Kosten für die nötige Überwachung müssen gebildet und ihre zweckgemäße Nutzung gewährleistet werden. Hier muss für eine adäquate Öffentlichkeitsbeteiligung gesorgt werden[1] - und für einen grenzübergreifenden, europäischen Katastrophenschutz in einem Radius von mindestens 200 km.[2]
3.2 ... sich einer ehrlichen Debatte über eine sichere und saubere Energie-Zukunft für Tschechien, die Region und Europa stellen und dabei den Bürgerinnen und Bürgern das Recht auf Informationen, die Teilnahme an Entscheidungsprozessen und Rechtszugang gewähren – etwa, wenn die Bürokratie es verweigert – und dabei Lehren ziehen aus den Schlussfolgerungen der deutschen Ethikkommission zur Atompolitik[3];wir rufen CEZ auf, seine Informationspolitik hier in Temelín erheblich zu verbessern und auch kritische Argumente gegen Kernenergie zuzulassen und aufzunehmen und vor allem die eigenen Schul- und Universitätspropaganda-Programme zu stoppen. Die Verantwortlichen müssen einen erschwinglichen und sicheren Zugang zu sauberen und nachhaltigen Energiequellen für die Bevölkerung ermöglichen.
3.3 ... eine neutrale und umfassende Risikoanalyse der AKW Temelín und Dukovany durchführen zu lassen, anstatt sich auf die durch wirtschaftliche Interessen verzerrten Stresstests von CEZ zu verlassen, die nach unseren Erfahrungen nicht ausreichend durch die tschechische Atomaufsichtsbehörde SUJB überwacht wurden. SUJB versagte auch bei dem über ein Jahrzehnt andauernden Betrug an den Schweißnähten am Primärkreislauf des 1. Block Temelíns und in den Sekundär-Kühlwasser-Systemen in allen Reaktoren in Temelin und Dukovany.
Um diese Ziele zu erreichen, müssen die folgenden vier wichtigen Schritte unverzüglich eingeleitet werden:
1. Ernsthafte Stresstests: schon geschlossene Gutachten zu Verstößen gegen die nukleare Sicherheit müssen im Nachgang der heutigen Post-Fukushima-Stresstests neu eröffnet werden - inklusive der Analyse der vertuschten Schweißnahtfehler (dokumentiert im Inspektionsbericht 15/2001/SUJB). Dieser Bericht muss sofort veröffentlicht werden. Wir fordern, dass die deutsche Atomaufsicht Einsicht bekommt in die komplette Aktenlage zu den Schweißnähten im Primärkühlwassersystem von Temelin 1, um diese mit Experten untersuchen zu können, zusammen mit der SUJB-Inspektorin, die den Fall im Jahre 2000 untersuchte.[4]
Bestehende Probleme, wie zum Beispiel die fehlende zweite Schutzhülle des AKW Dukovany oder die nicht getrennten Hochdruckdampfleitungen im AKW Temelín müssen ernsthafte Argumente dafür sein, die Weiterführung dieser Kraftwerke zu überdenken.
2. Die Neuausrichtung der tschechischen nationalen Energiepolitik muss überarbeitet werden – von vertrauenswürdigen Instituten, die auch Szenarien für einen Atomausstieg unter Reduzierung der Treibhausgase in der EU von 80 bis 90% im Jahre 2050 miteinbeziehen.
3. Alle Staaten, die Mitglied der EU sind und/bzw. die Aarhus- und Espoo-Konvention mitgezeichnet haben, müssen ihre nationalen Energiestrategien grenzübergreifenden Konsultationen unterwerfen (im Rahmen des Europäischen Rechts und der Aarhus- und Espoo-Konventionen und dem Protokoll von Kiew). Die Öffentlichkeit muss die Möglichkeit haben, zu überwachen, dass diese Strategien auf der Basis von Fakten und stichhaltigen Argumenten gebildet werden und nicht auf Basis kurzfristiger wirtschaftlicher oder nationaler Interessen.
4. Die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) für das Atomkraftwerk Temelín Block 3und 4 muss entsprechend den Entscheidungen des UN Aarhus Komitees in der Temelin-Klage ACCC/C/2012/71 wieder aufgenommen werden, falls am Bau dieser geplanten Reaktoren festgehalten werden sollte. Für die Lebensdauerverlängerung der Reaktoren in Dukovany soll auch eine grenzübergreifende UVP stattfinden, im Einklang mit den Aarhus und Espoo Konventionen. Neue Anhörungen müssen nicht nur in der Tschechischen Republik organisiert werden, sondern auch in den umliegenden Nachbarländern, um den Bürgerinnen und Bürgern Gelegenheit zur Bewertung der technischen Daten der gewählten Reaktoren zu geben.
Aktive Formen der Information und Beteiligung müssen entsprechend der Entscheidung des Aarhus Komitees entwickelt werden, um sowohl die Bevölkerung in der Tschechischen Republik zu beteiligen, als auch in den europäischen Nachbarstaaten.
Rechtsverbindliche Beteiligung für die Bürgerinnen und Bürger muss bereits bei den Energieprogrammen stattfinden, auf denen die geplanten Reaktoren basieren, ebenso bei den Atommüll-Entsorgungsprogrammen und der Endlagersuche.[5] Die Eingaben der Öffentlichkeit aus all diesen Ländern müssen in vollem Umfang bei der Entscheidung des tschechischen Ministeriums für Umwelt, die UVP anzunehmen oder abzulehnen, berücksichtigt werden.
Im Auftrag der Teilnehmer/innen der Bürger/innen Inspektion Temelin 2011, 2012,2013,2014,2015, 2016.
Brigitte Artmann
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